Freitag, 19. Juli 2013

II. Wangenrot wie Trauben und der Himmel trägt das Blau der Schürze meiner lachenden Großmutter zwischen den Zeilen und weit darüber hinaus



Wangenrot wie Trauben und der Himmel trägt
das Blau der Schürze meiner lachenden Großmutter
zwischen den Zeilen und weit darüber hinaus
ist die Familie das Erste was einem
in Bezug auf einen Ort in den
Sinn kommen könnte das Zweite ihr Versprechen
in meinem Fall ein Mann im Anzug
gegen einen Laternenmast gelehnt und vor die
Polizeistation urinierend dabei einen Aktenkoffer einen leeren
wie man mir später erzählt in der
Hand des Bärtigen ich am Rücksitz im
schlammgrünen Renault meines Vaters vor Begeisterung bebend
nicht an die Leere nie an die
Leere glaubend nicht blutsverwandt aber vielleicht ist
Wein doch dicker als Blut und es
bleibt immer die Möglichkeit dass Heimat mehr
mit Geschichten als mit Geschichte zu tun
hat und ein Aufatmen wie weit die
Heimat plötzlich wird und wie blau der
Himmel die Sonne auf der Haut im
Turnunterricht heimlich Abkürzungen durch die Weingärten später
die ersten Runden am Moped des Freundes
und versehentlich eine Schneise in die hoch
stehende Wiese und weiter unten im Gelände
der kleine Teich der nun verschwunden ist
so wie die wilde Landschaft und die
ersten heimlichen Küsse in den Büschen
alles mit einer Leichtigkeit wie Wind in
den Haaren alles verschwunden und zuhause darf
es niemand wissen wir waren nicht am
Fluss nicht in der Gstettn und wie
gerne hätten wir die Gerippe gesehen von
denen Vater erzählt wie Wissenschaftler sie mit
höchster Sorgfalt ausgraben und wie er hilft
und wie er alleine unweit davon das
Ziegelfundament eines gesprengten Schlots Stein für Stein
abgräbt um damit den Rauchfang für unser
Haus mauern zu können und wo sind
diese Zeiten von denen sie uns in
schwarz-weißen Bildern erzählen die wir Kinder
und später wir erwachsen Gewordenen erst nicht
glauben wollen und später nicht können und
heute überrascht uns manchmal die Erinnerung an
die Schritte der kleinen Füße und wie
endlos lang die Zeile der Kirtagsstände schien
und wie glitzernd und bunt und die
Waren und wie süß da und wie
duftend dort und Zuckerwatte und Langos und
schon geht es weiter mit den Rädern
heimlich und später zwischen den Rädern und
zwischen den Zeilen immer wieder dieses Lachen
der Großmutter die Hände und Lippen glänzend
vom Speck und das Kopftuch neckisch flatternd
wie der Blick und später wird sie
nicht mehr kommen die Trauben zu schneiden
und ich auch nicht mehr aber gemeinsam
essen werden wir sie im Schatten oder
doch ein Glas Wein und frisches Brot
die Hühner im Hof und die Gedanken
abschweifend im Zug mitgerissen und am
Bahnhof gelandet Hand in Hand mit dem
schönsten Mädchen von hier ab beginnt die
Welt die Wege in die Weite und
offene Türen und irgendwann wo ist das
schöne Mädchen hin die Gedanken können sich
nicht und immer noch nicht losreißen und
der Zug fährt ein und hat seinen
Reiz verloren und zu Fuß ist es
ein Weites nach Hause und die Zeit
kümmert sich nicht darum und der Himmel
bricht in Wasser zusammen und später
wird man darüber lachen wie über
die Kostüme am Faschingsumzug und den Traktor
der beinahe in die Menge fährt da
wo meine Familie steht und später oder
auch nicht und die Augen werden nie
wieder so schauen sie schauen eben anders
und machen den Unterschied zwischen gestern und
heute und die Weinblüte wird wieder aufblühen
und die Lese wird gut und der
Wein lässt uns wanken schwarz weit der
Himmel spät ist es geworden und die
Füße gewachsen bald mehr vergessen als
man noch erleben wird sagt einer am
Nebentisch und ich sehe keinen also weitersuchen
in den Erinnerungskisten unter den Betten und 
die Schritte klein beibehalten durchkreuzen und weggehen
wiederkommend hinter dem Zentrum ist ein Park
auf der Bank ein Paar oder doch
Bruder und Schwester und im Spielen vergessen
Kinder und das Wasser läuft ruhig durch
den Ort und da und dort ein
Aufeinandertreffen ein Auflachen und die Trauben fast
noch Blüte kleine Kügelchen wie das Muster
im Stoffblau mit Himmel vermischt Hand in
Hand mit einem Lächeln das schönste
Mädchen und das Versprechen der Vorderen also
Fluch und Kuss und die Geschichten gehen
nie aus wohin sollten sie auch wie
der Rauch im ziegelroten Quader des Hauses

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