Sonntag, 3. November 2013

VI. War dies hier je wirklich mein Blick 267 Meter über Adria die Luft schwer trüb am Boden haftend und Worte fressend

War dies hier je wirklich mein Blick
267 Meter über Adria die Luft schwer
trüb am Boden haftend und Worte fressend
ausspeiend an ganz anderer Stelle ich wandere
die Kamera objektiv spiegelt wie zum Beweis
erstelle ich heimlich ein vorerst privates Archiv
stimme den Bildschirm mit den Geschichten ab
zwischen Feldern die Kamera nimmt alles auf
zerlegt Bild für Bild Punkt für Punkt
erstellt Seite um Seite bunt im Blick
Blätter die noch einmal in Bewegung geraten
die Schuhe schrumpfend die Schritte ein Laufen
quer zu den gesamten Zeilen geduckt unter
den straff gespannten Drähten rostig an die
sich der Wein klammert die Finger klebrig
vom Süß der Trauben klebrig die Hosen
mit Grasflecken und Erde dunkel feucht duftend
im Gedanken ein Held die hymnischen Fanfaren
im Ohr die Gegner sie alle geschlagen
eine Ruhepause im Versteck im wilden Dickicht
 Schlehdornstauden die Beeren blass grau bis blau
noch ungenießbar jetzt vor dem ersten Frost
vielleicht das nächste Mal dann gilt es
schneller zu sein als all die Amselkehlen  
aber vielleicht wird es doch die Luft
bereits kühl am verschwitzten noch knochigen Körper
zu den Rädern und ab nach Hause
die Geheimnisse des Tages bleiben dort unausgesprochen
noch ist keiner unter uns ein Verräter
auch nicht jene welche mit heißen Tränen
und blauen Flecken schwarz verkrustetem Blut kommen
gehetzt die Dämmerung bereits dunkelnd im Rücken
die Nacht mit Temperaturen unter Null Celsius
das alles aber ist ein alter Hut
der erste Schnee aber der erste Schnee
das ist noch immer und immer wieder
ein Ereignis ein Lachen füllt die Leere
des Platzes da plötzlich Kinder mit Kufen
am Eis das künstlich da liegt daneben
die Hütten voll mit Ramsch und Punsch
auch hier ein Lachen und alles gerahmt
in Ketten aus Lichtern hell ein Glitzern
ein stolz als bunter Zug getarnter Traktor
selbst der Wind hat seine Freude daran
wirbelt die Geschichten durcheinander ich und dein
du mir wir wirbelt es die Straßen
 entlang auf und abtauchend juchzend mit Rodeln
in vollem Lauf auf Rädern zu Fuß
mit Reifenschläuchen im Fluss die Zeit kommt
durcheinander so wild treibt es der Wind
so wild dabei die schlafenden Vögel aufschreckend 
Lerchen sogleich schimpfen damit eine Sprache mehr
die der Wind durch den Ort trägt
ist das nicht schön die vielen Stimmen
die vielen Sprachen die Tage entlang quer
ohne weitere Grenzen außer Morgengrauen und Abendrot
 soweit die Träume tiefe Einblicke ins Archiv
dort chronologisch abgelegt neben einem anderen Tag
gefüllt mit Warten auf einer verblassten Bank
vor dem Bahnhofsgebäude absichtlich alle Busse versäumt
um auf ein auf das eine Mädchen
zu warten sie zu erwarten flehend endlich
wie sie dann erscheint die Gedanken verloren
wieder nur ein zögerndes leise krächzendes Hallo
 ein Verschwinden hinterm Eck nächstes Mal immer
 nächstes Mal bis plötzlich ihre Stimme freundlich
ihr Lächeln so zart und freundlich mir
dass die Beine versagen das Herz rasend
einzig der traurig scheiternde Versuch möglichst locker
auf der Bank zu lümmeln zählt noch
 nur ja nicht das Lächeln ihr Lächeln
verlieren in Folge die Berührung die Finger
die Lippen wirklich auf Lippen wild züngelnd
zwei Wochen später wartet man erneut ungeduldig
und immer wieder diese Bank leicht abseits
daneben dahinter tief eingeschnitten ein anderer Tag
an dem das Unglück hereinbricht die Stunden
ganz hinten im Archiv nur leise ausgeflüstert
im Beisein der Dunkelheit L. A. Woman
tote Insekten und ein perlend blutender Name
auf der Haut die Nacht die Musik
stetig lauter werdend wird doch noch gefeiert
die modrigen Zettelkästen werden doch alle geöffnet
unter Z der Eintrag Zuckerwatte am Kirtag
unter Z auch noch Ziege und Zirkus  
unter F steht Freibad Kuss mit Erektion
siehe dazu auch bei K und E
verstreut durchs Alphabet eine Liste von Namen
so nehmen all die Tage kein Ende
die Geschichten füllen Sand in die Uhren
und Schotter und Wein und Sprengladungen und
 Juckpulver Lachgas Konfetti und immer so weiter
selbst unter F wie Friedhof die Einträge
wachsend nicht enden wollend die Grenzen verhöhnend
deswegen nur nicht anscheißen nicht drauf scheißen
daneben der Platz im Sonnenschein die Kamera
im Anschlag davor extra dafür vergleicht man
die Rundungen der Bierbäuche erfreut sich daran
den Passanten zum Trotz oder zur Unterhaltung
sollen sie es sehen wie sie wollen